
Fraunhofer ISST Dortmund: Erweitertes Monitoring bei Epilepsie
In Deutschland gibt es nach epidemiologischen Schätzungen 500.000 bis 650.000 Menschen mit Epilepsie. Charakteristisch für diese Erkrankung sind spontan und unvorhersehbar auftretende epileptische Anfälle, die für Betroffene und Pflegende sehr belastend sind. Sowohl die Unvorhersehbarkeit der Anfälle als auch die Bewusstseinsstörungen und der Kontrollverlust über verschiedene Körperfunktionen tragen dazu bei, dass sich der Betroffene schwerwiegende Verletzungen zuziehen kann. Eine rechtzeitige Erkennung der Anfälle kann Pflegende unterstützen und dabei helfen, entsprechende Sicherheitsmaßnahmen für den Patienten zu ergreifen. Neben einer solchen Früherkennung hilft zudem eine genaue Aufzeichnung der Anfälle bei der individuellen Abstimmung der Therapie.
Im Rahmen des Projekts EPItect (www.epitect.de) werden technische Innovationen für die Unterstützung epilepsieerkrankter Menschen durch sensorische Anfallsdetektion entwickelt. Die Federführung übernimmt dabei die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Klinik und Poliklinik für Epileptologie) gemeinsam mit den Projektpartnern Cosinuss GmbH, der Christian-Albrechts-Universität (Klinik für Neuropädiatrie), dem DRK-Landesverband Schleswig-Holstein e.V. (Norddeutsches Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche) und dem Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik (ISST) sowie den assoziierten Partnern Hochschule für Gesundheit Bochum, Epilepsie Bundes-Elternverband e.V. und Landesverband für Epilepsie Selbsthilfe Nordrhein-Westfalen e.V. Das Projekt ist im März 2016 gestartet und wird für eine Laufzeit von drei Jahren vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Programm »Pflegeinnovationen zur Unterstützung informell und professionell Pflegender« (Förderkennzeichen: 16SV7482) gefördert. Der Projektträger ist die VDI/VDE Innovation + Technik GmbH.
Als zentraler Bestandteil für den Austausch zwischen allen beteiligten Akteuren im Behandlungs- und Pflegeprozess wird eine EFA 2.0 basierte Kommunikationsinfrastruktur aufgebaut. Diese dient zum einen dem Austausch zwischen den an der Behandlung des Patienten beteiligten medizinischen und pflegerischen Leistungserbringern. Zum anderen wird durch eine Erweiterung der EFA 2.0 basierten Vernetzungsinfrastruktur um telemedizinische Komponenten ein Austausch zwischen professionellen Leistungserbringern und informell Pflegenden (zum Beispiel Angehörigen) sowie Patienten ermöglicht.
Austausch zwischen medizinischen und pflegerischen Leistungserbringern:
Bei der Behandlung von Epilepsie sind in der Regel mehrere medizinische Einrichtungen beteiligt. Der Einsatz einer gemeinsamen Elektronischen FallAkte ermöglicht, dass sich beteiligte Krankenhäuser, Hausärzte sowie Neurologen austauschen können. So kann sichergestellt werden, dass der aktuelle Therapiestatus den beteiligten Behandlern bekannt ist. Auch die Überführung von Kindern und Jugendlichen von pädiatrischen Einrichtungen in Erwachseneneinrichtungen (sogenannter Transition) kann von einer IT-gestützten, datenschutzkonformen Informationsweitergabe über die Elektronische FallAkte an die Erwachsenenmediziner profitieren. Das Fraunhofer ISST entwickelt ein EFA-Portal mit speziellen Erweiterungen für die Epilepsie. Dazu gehört beispielsweise die Visualisierung von Anfallsdokumentationen über Graphen beziehungsweise Anfallskalender. Weiterhin werden fallbezogene Analysedienste entwickelt, die der Bewertung und Optimierung der Behandlung im Einzelfall dienen. Der fallübergreifende Analysedienst fasst pseudonymisierte Daten von einer Patientengruppe (zum Beispiel Patienten mit einer konkreten Epilepsieform) zusammen und dient der Bewertung und Optimierung der Behandlung dieser Patientengruppe.
Austausch zwischen professionellen Leistungserbringern sowie informell Pflegenden und Patienten:
Je nach Schweregrad der Epilepsie, Autonomie der Betroffenen und Lebensalter erfolgt die alltägliche Behandlung weitgehend selbständig (zum Beispiel bei erwachsenen berufstätigen Menschen mit Epilepsie ohne alltagsrelevante Einschränkungen) oder erfordert gegebenenfalls eine multidisziplinäre Betreuung (beispielsweise bei intellektuell und körperlich eingeschränkten Kindern bzw. Jugendlichen) sowie eine effektive Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren. Eltern, Angehörige und Partner können wichtige Informationsquellen für die ärztlichen Behandler sein und bei Therapiemaßnahmen beziehungsweise im Falle epileptischer Anfälle unterstützend beitragen (zum Beispiel Kontrolle, ob Medikamente eingenommen wurden). Im Rahmen des Projekts werden unter Berücksichtigung bestehender internationaler Standards (zum Beispiel HL7 FHIR) telemedizinische Erweiterungen der FallAkte entwickelt, die eine Kommunikation zwischen Patienten und Angehörigen mit Ärzten ermöglichen. Der Patient kann über eine Smartphone APP die automatisiert sowie manuell erfassten Anfallsdokumentationen inkl. der Vitalparameter sowie ergänzend erfasster Kontextparameter für behandelnde Ärzte freigeben. Die Anfallsdokumentationen sind eine wichtige Grundlage für individuelle Therapieentscheidungen. Pflegende Angehörige können bei entsprechender Freigabe durch den Patienten ebenfalls eine Einsicht in die Anfallsdokumentationen haben.